Die gemeinnützige Karl und Veronica Carstens-Stiftung ist der Vielfalt in der medizinischen Ausbildung verpflichtet, gemäß dem Leitsatz der Stifterin: „Der Arzt und die Ärztin der Zukunft sollen zwei Sprachen sprechen, die der Schulmedizin und die der Naturheilkunde und Homöopathie. Sie sollen im Einzelfall entscheiden können, welche Methode die besten Heilungschancen für den Patienten bietet.“
Zudem hat die Stiftung seit ihrer Gründung im Jahre 1982 mehr als 32 Millionen Euro für Wissenschaft und Forschung zum Thema Naturheilverfahren in über 300 Projekten aufgewendet.
Dr. Jens Behnke ist bei der Carstens-Stiftung zuständig für das Referat „Homöopathie in Forschung und Lehre“. Zu seinen Aufgaben gehören unter anderem die Konzeption von Forschungsstrategien, die Pflege und Weiterentwicklung der Datenbank CORE-Hom (klinische Forschung zur Homöopathie) sowie die Betreuung der universitären Homöopathie-Arbeitskreise und der entsprechenden Wahlfächer im Rahmen des Medizinstudiums. Im Interview berichtet Behnke von der vielfältigen Arbeit der Stiftung.
Wie kam das Ehepaar Carstens auf die Idee, die Stiftung zu gründen?
Dr. Jens Behnke: Das Ehepaar Carstens nahm wahr, dass Naturheilkunde und Homöopathie einerseits sehr erfolgreich und daher beliebt bei der Bevölkerung waren. Auf der anderen Seite fehlte es aber an wissenschaftlichen Studien zu diesen Verfahren. In der Folge kamen diese für die Patientenversorgung wichtigen Behandlungsmethoden im Medizinstudium allenfalls am Rande vor. Die Vision der Stifter war daher eine integrative Medizin, die sich sowohl konventioneller wie auch komplementärer Verfahren bedient: Der Arzt der Zukunft soll über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, im Einzelfall die Therapien anzuwenden, die dem kranken Menschen die besten Heilungschancen bieten.
Was sind die Aufgaben und Ziele der Carstens-Stiftung?
Behnke: Die Carstens-Stiftung widmet sich vor diesem Hintergrund der wissenschaftlichen Durchdringung von Naturheilkunde und Homöopathie. Wir fördern zum Beispiel klinische Studien oder auch Laborexperimente, innerhalb derer Verfahren aus diesem Gebiet untersucht werden. Aufbauend auf den Forschungsergebnissen engagieren wir uns in der Förderung des ärztlichen und wissenschaftlichen Nachwuchses. Ziel ist die Integration von nachgewiesenermaßen wirksamen komplementärmedizinischen Verfahren in Forschung und Lehre der Universitäten. Die Carstens-Stiftung unterstützt zum Beispiel das Wahlfach „Homöopathie“, das innerhalb des Medizinstudiums im vorklinischen und klinischen Abschnitt angeboten werden kann. Darüber hinaus organisieren wir diverse Fort- und Weiterbildungsangebote für Studierende und Ärzte und fördern Promotionsvorhaben auf dem Gebiet der Komplementärmedizin.
Nicht zuletzt ist es Aufgabe der Carstens-Stiftung, über Forschungsergebnisse aus den Bereichen Naturheilkunde und Homöopathie zu berichten. Hierdurch wollen wir die Bevölkerung über Möglichkeiten und Grenzen dieser Therapiemethoden auf wissenschaftlicher Basis informieren.
Welche Projekte werden konkret gefördert?
Behnke: In der Vergangenheit wurde durch die Carstens-Stiftung zum Beispiel die größte Outcome-Studie zur Homöopathie in der Arztpraxis an der Berliner Charité ermöglicht. Des Weiteren wurde, aufbauend auf einem Forschungsprojekt, eine Abteilung für Homöopathie am Dr. von Haunerschen Kinderspital in München etabliert, die bis heute besteht. Aktuell bereiten wir eine gezielte Ausschreibung im Bereich Homöopathieforschung vor: Ab 2018 werden wir unter Rückgriff auf die Ergebnisse eines Expertensymposiums verstärkt ausgewählte klinische Studien und Laborexperimente zur Homöopathie fördern. Zusätzlich engagieren wir uns laufend für den Homöopathie-Nachwuchs, indem wir studentische Arbeitskreise, universitäre Wahlfächer und Weiterbildungen unterstützen beziehungsweise organisieren.
Zum Thema Nachwuchs und Universitäten: Warum ist es wichtig, die Komplementärmedizin in Forschung und Lehre der Hochschulmedizin zu integrieren?
Behnke: Naturheilkunde und Homöopathie sind sehr weit verbreitet und damit versorgungsrelevant. Im Zuge der Qualitätssicherung empfiehlt sich also einerseits eine qualitativ hochwertige standardisierte Ausbildung für angehende Ärzte. Viele komplementärmedizinische Verfahren sind sicher und wirksam, andere aber nutzlos oder sogar gefährlich. Um hier die Spreu vom Weizen zu trennen, ist andererseits methodisch hochwertige Forschung wichtig.
Sie sagen, die Carstens-Stiftung fördert verschiedene Studien-Designs.
Behnke: Jedes Studiendesign hat seine Berechtigung. Es kommt immer auf die Fragestellung an. Wenn ich wissen möchte, ob potenzierte Arzneimittel eine spezifische Wirksamkeit haben, müssen sie im Rahmen einer Doppelblindstudie gegen Placebos getestet werden. Der Vorteil solcher Untersuchungen ist ihre mutmaßlich hohe Zuverlässigkeit im Hinblick auf die genaue Zuordnung der beobachteten Therapieeffekte zu den getesteten Substanzen. Dieser wird aber durch den Nachteil erkauft, dass die Ergebnisse solcher „Laborstudien“ nicht immer auf den klinischen Alltag übertragbar sind.
Und sogenannte Outcome-Studien sind gegebenenfalls besser auf diesen übertragbar?
Behnke: Ganz genau. Die Frage „Was hilft dem Patienten?“ lässt sich eher durch Outcome-Studien beantworten, die ein Behandlungsverfahren unter realen Praxisbedingungen erforschen. Die Resultate sind in diesem Fall besser auf die Wirklichkeit der Krankenversorgung übertragbar. Ohne eine Kontrollgruppe, die ein Placebopräparat erhält, können aber in solchen Studien aus formalen Gründen keine zuverlässigen Aussagen über die spezifische Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel getroffen werden.
Eine Mittelstellung zwischen der randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie und einer einfachen Beobachtungsstudie bilden sogenannte pragmatische Studien. Hier wird zwar eine Kontrollgruppe gebildet, aber diese erhält kein Placebo, sondern beispielsweise eine Standardtherapie. Das Setting solcher Studien orientiert sich hierbei möglichst nah am klinischen Alltag. Leider werden Studien zu Homöopathika oft stiefmütterlich behandelt.
Inwiefern geschieht das?
Behnke: Studien, die positive Therapieeffekte der Homöopathie belegen, werden in Fachkreisen zumeist ignoriert. Negativstudien hingegen erfahren häufig sogar eine große Resonanz in der Laienpresse. Diese Aufmerksamkeit erhalten dann auch Forschungsergebnisse, die unter Rückgriff auf wissenschaftlich fragwürdige Methoden gewonnen wurden.
Weitere Informationen zur Carstens-Stiftung finden Sie hier.