Sabine Radtke arbeitet seit 2009 als Diplom-Bibliothekarin an der Europäischen Bibliothek für Homöopathie (EBH) in Köthen in Sachsen-Anhalt. Es gibt nur wenige Bibliotheken, die den Schwerpunkt Homöopathie abdecken, und so zieht es viele Interessierte nach Köthen.
Die Bibliothek gibt es seit 2010, sie wurde vom Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) gegründet. Auch Samuel Hahnemann, der Wegbereiter der Homöopathie, lebte von 1821 bis 1835 in Köthen. Das Hahnemann-Haus befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Bibliothek.
Sabine Radtke ist selbst in dem kleinen Ort aufgewachsen, hat an der Deutschen Bücherei in Leipzig Wissenschaftliches Bibliothekswesen studiert, aber einige Jahre fachfremd gearbeitet, bevor sie dann zur Europäischen Bibliothek für Homöopathie kam. Der Name Hahnemann sagte Sabine Radtke zwar schon immer etwas, so richtig zur Homöopathie hat sie aber erst als Patientin gefunden. In ihrem Berufsalltag in Köthen konnte sie schon viele interessante Menschen aus der ganzen Welt empfangen, erzählt die Bibliothekarin im Interview.
1. Was ist das Besondere an der Europäischen Bibliothek für Homöopathie?
Sabine Radtke: Eine Besonderheit ist der Sammelschwerpunkt der Bibliothek. Neben der Homöopathischen Bibliothek in Hamburg ist die Bibliothek in Köthen eine der wenigen Präsenzbibliotheken für homöopathische Literatur. Im aktuellen Bestand befinden sich circa 7.000 Medieneinheiten zur Homöopathie. Darunter sind auch viele Periodika, einige DVDs, CDs und viele fremdsprachige Bücher. Das „Organon der Heilkunst“, das Hauptwerk Hahnemanns, liegt uns beispielsweise in mehreren Sprachen vor, darunter auch Japanisch und Türkisch.
Eine weitere Besonderheit ist der digital verfügbare historische Altbestand an homöopathischer Literatur. Wolfgang Schweitzer, ein homöopathischer Arzt aus Hamburg, gründete in Räumen der Staats- und Universitätsbibliothek eine Homöopathische Bibliothek, die heute unter der Trägerschaft der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie ist.
In der Hamburger Bibliothek wurde begonnen, historische Bücher von Beginn der Homöopathie an zu sammeln. Dieser historische Altbestand wurde 2010 auf spektakulärem Wege nach Köthen verschifft. Die Bücher wurden – gut verpackt – mit einer historischen Barkasse von Hamburg auf der Elbe bis nach Magdeburg transportiert und dann per LKW weiter nach Köthen. Alle Bücher wurden zuvor sehr sorgfältig eingescannt, so dass wertvolle Inhalte nicht verloren gehen konnten. Diese historischen Inhalte sind in Kürze auf den Webeseiten der Bibliotheken Hamburg und Köthen abrufbar.
2. Welche Aufgaben haben Sie in der Europäischen Bibliothek für Homöopathie?
Sabine Radtke: Für den DZVhÄ ist die Europäische Bibliothek für Homöopathie ein zentraler Ort zur Bewahrung und Vermittlung von Wissen zur Homöopathie. Das Sammeln, Bewahren und zur-Verfügung-Stellen homöopathischer Literatur ist natürlich unsere Hauptaufgabe.
Interessant und spannend in meinem Arbeitsalltag sind für mich die vielen Menschen, die ich hier kennenlernen darf: Indische Ärzte, die so wissbegierig sind und alles aufsaugen, was sie über das Leben Hahnemanns in Köthen erfahren können. Eine amerikanische Tanztherapeutin, die sich am authentischen Ort über Hahnemann und die Homöopathie informieren will für ihr Theaterstück über die Liebe von Hahnemann zu Marie Mélanie d’Hervilly Gohier.
Der tschechische Arzt, der die Homöopathie in Pakistan befördert will, und das afrikanische Ehepaar, das sich für die Ausbildung homöopathischer Ärzte in Südafrika einsetzt.
Spannend waren natürlich auch die vielen TV Produktionen, die hier schon stattfanden.
3. Gibt es persönlich für Sie in der Europäischen Bibliothek für Homöopathie ein Lieblingsbuch oder eine Lieblingsveröffentlichung?
Sabine Radtke: Da gibt es Einiges, aber vor allem lese ich gern Veröffentlichungen von Hahnemann. Während eines Kurses über Homöopathie habe ich mich durch das „Organon“ gequält, aber jetzt mag ich die Sprache und Resolutheit sehr, mit der Hahnemann schrieb und auch übersetzte.
4. Welche Besucher kommen jährlich in die Europäische Bibliothek für Homöopathie und recherchieren dort?
Sabine Radtke: Die Stadt Köthen ist für Homöopathen aus aller Welt ein besonderer Ort, da hier das Hahnemann-Haus zu besichtigen ist und die Stadt dieses historische Erbe sehr pflegt.
Das Gästebuch der Bibliothek ist gefüllt mit Eintragungen von Besuchern aus allen Erdteilen, und gerade in den Reisemonaten kann ich viele Gäste in der Bibliothek begrüßen. Schön ist auch, dass die Köthener diesen Ort beleben, indem Sie ihren Gästen die Bibliothek zeigen.
In Zeiten der digitalen Kommunikation ist es oft nicht notwendig, vor Ort zu recherchieren, aber Anfragen kommen aus allen Kreisen: von Ärzten über interessierte Laien, Patienten, Schüler und Studenten.
5. Finden Leser in der Bibliothek auch aktuelle Veröffentlichungen zur Homöopathie?
Sabine Radtke: Wir bemühen uns, unter der Vielzahl von Neuerscheinungen unseren Bestand so aktuell wie finanziell machbar zu erweitern, sind aber nach wie vor allen Spendern homöopathischer Literatur sehr dankbar.
Mehr Informationen zur Europäischen Bibliothek für Homöopathie gibt es hier.