Durch eigene positive Erfahrungen bei der Behandlung von kranken Tieren in der tierärztlichen Praxis interessierte sich Dr. Erich Reinhart schon früh für homöopathische Arzneimittel. Seit über 20 Jahren ist der Tierarzt bei der Biologische Heilmittel Heel GmbH im medizinisch-wissenschaftlichen Bereich tätig. Eine seiner Aufgaben ist es zu erforschen, wie homöopathische Kombinationsmittel bei kranken Tieren wirken. Dabei steht er im ständigen Austausch mit Forschungsinstituten und Universitäten. So entstanden eine Reihe von wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Wirksamkeit homöopathischer Veterinärarzneimittel in nationalen und internationalen Fachzeitschriften, was zur wissenschaftlichen Evidenz beiträgt. Im Interview erklärt Dr. Erich Reinhart die besonderen Herausforderungen bei der Forschung mit diesen Arzneimitteln.
1. Was ist das Besondere an der Veterinärforschung?
Dr. Erich Reinhart: Zunächst muss man sich bewusstmachen, dass es die Veterinärforschung mit mehreren Tierarten zu tun hat und deshalb entschieden werden muss, für welche Spezies ein zu untersuchendes Arzneimittel geprüft werden soll. Der gesetzliche Rahmen für klinische Studien an Tieren gleicht in vielen Punkten dem in der Humanmedizin, wie zum Beispiel bei den Anzeigepflichten nach dem Arzneimittelgesetz. Auch GCP (Good clinical practice) ist in der Tier- genau wie in der Humanmedizin ein anerkannter Standard für qualitativ hochwertige Forschung. Leider sind bei Studien an Tieren nicht alle in Humanstudien möglichen Bewertungsparameter nutzbar, zum Beispiel solche, bei denen der Patient die Stärke seiner Symptome selbst einschätzen soll. Dafür müssen dann andere, passende Maßstäbe herangezogen werden.
2. Ist eine klinische Studie auf jede Tierart übertragbar?
Dr. Erich Reinhart: Bei der klinischen Forschung an Tieren muss man bedenken, dass es grundlegende Unterschiede zwischen den Tierarten in der Physiologie sowie auch in Haltung und Lebensumfeld gibt. Zudem wird rechtlich unterschieden zwischen Heimtieren, beispielsweise Hund, Katze und Kleinnager, sowie Nutztieren, wie Rind, Schwein, Schaf, Ziege und Geflügel, wobei das Pferd eine Mittelstellung einnimmt. Die Therapiemöglichkeiten bei beiden Gruppen unterscheiden sich: Manche Tierarzneimittel können nur bei Heimtieren eingesetzt werden, nicht aber bei Nutztieren, von denen Lebensmittel gewonnen werden.
3. Was ist bei klinischen Veterinärstudien für homöopathische Arzneimittel zu beachten?
Dr. Erich Reinhart: Die meisten Studien mit Veterinärhomöopathika werden mit so genannten tiefen oder mittleren Verdünnungsstufen – so genannte Potenzen – durchgeführt, in denen noch ein nachweisbarer Wirkstoffgehalt vorliegt. Häufig handelt es sich um Kombinationsarzneimittel aus mehreren Bestandteilen, die auf bestimmte Indikationen hin zusammengestellt sind. Je nach Wirkweise und Wirkungsverlauf des homöopathischen Arzneimittels müssen geeignete Versuchsdesigns entwickelt werden, die diese Eigenschaften abbilden. Beispielsweise kann die Wirkung eines homöopathischen Arzneimittels verzögert einsetzen, dafür aber nachhaltiger sein – das heißt, auch nach Absetzen der Medikation ist noch eine klinische Verbesserung erkennbar.
Auch scheinen homöopathische Arzneimittel oft nicht nur an einem einzelnen Regelkreis anzusetzen, sondern sie entfalten ihre Wirkung, indem sie viele Prozesse zugleich regulieren. Eine einfache Dosis-Wirkungskurve kann diese komplexen Zusammenhänge nicht darstellen. Deshalb wird in klinischen Studien meist auch der klinische Gesamtzustand der Tiere mit bewertet.
4. Warum gibt es bisher nur wenig Forschung in der Veterinärhomöopathie?
Dr. Erich Reinhart: Zunehmend wird erkannt, dass die Homöopathie ein beachtliches Potenzial für die spezifischen Bedürfnisse der Patienten in der tierärztlichen Praxis bietet. Forschungsaktivitäten für Homöopathika für Tiere werden bisher überwiegend von Arzneimittel-Herstellern angestoßen. Inzwischen sind allerdings mit dem steigenden allgemeinen Interesse auch Forschungsinstitute und Universitäten vermehrt daran interessiert. Entsprechende Forschungsprojekte brauchen jedoch ihre Zeit, da die Kapazitäten auf allen Stufen begrenzt sind. Auch ist es immer wieder eine Herausforderung, geeignete Messparameter beziehungsweise Designs für Studien an Tieren zu entwickeln.
5. Wie lange dauert es in der Regel, bis eine solche Studie durchgeführt worden ist?
Dr. Erich Reinhart: Bei klinischen Veterinärstudien zu homöopathischen Arzneimitteln sollen meist zusätzliche Daten zur Wirksamkeit von Tierarzneimitteln gewonnen werden, zum Beispiel, indem deren Wirksamkeit mit einem konventionellen Standardpräparat verglichen wird. Eine klinische Studie dauert, wie auch in der Humanmedizin, durchaus zwei Jahre oder sogar länger. Um ein neues Tierarzneimittel zulassen zu können, werden zudem für jede Tierart, für die es eingesetzt werden soll, entsprechende Studienergebnisse benötigt.
6. Welche neuen Erkenntnisse werden gewonnen?
Dr. Erich Reinhart: In vielen Fällen konnte die grundsätzliche Wirksamkeit von homöopathischen Arzneimitteln bestätigt werden. Dies gilt sowohl für Studien mit klinischen Parametern (zum Beispiel Zuchtergebnisse bei Nutztieren) als auch mit objektiven Parametern (zum Beispiel Laborwerte, oder durch Kraftmessplatten ermittelte physikalische Messwerte zur Beurteilung von Lahmheiten von Tieren). Häufig ergeben sich dabei auch noch zusätzliche Erkenntnisse. So gibt es etwa Hinweise darauf, dass homöopathische Arzneimittel gerade älteren Tieren nützen können, die an chronischen oder degenerativen Krankheiten leiden. Hier ist allerdings noch viel Forschungsarbeit zu leisten.
7. Woran muss in Zukunft noch verstärkt geforscht werden?
Dr. Erich Reinhart: Besonders groß ist das Potenzial der homöopathischen Tierarzneimittel in Sachen Prophylaxe und Metaphylaxe, also Krankheitsvorbeugung und –vermeidung. Hier sollte verstärkt geforscht werden, auch angesichts der zunehmend älter werdenden Heimtiere.
Auch muss noch stärker analysiert und verstanden werden, durch welche Mechanismen die in Studien immer wieder zu beobachtende Wirkung zustande kommt.