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Pflanzenanbau für die Homöopathie – Interview mit Agrar-Experte Michael Straub

Michael Straub steht hinter einer Pflanze in einem Gewächshaus.Michael Straub. © Barbara von Woellwarth, Weleda AG

Mit dem Anbau von Arzneipflanzen kennt sich Michael Straub aus. Seit 18 Jahren ist der Diplom-Agraringenieur bei der Weleda AG als Leiter Heilpflanzenanbau und –forschung tätig, seit fünf Jahren ist er dort zudem Artenschutzbeauftragter. Seine Aufgabe: den Anbau von Heilpflanzen sicherzustellen, Züchtung zu betreiben und zu forschen – etwa zur Kultivierung von Wildpflanzen und zur Verbesserung des Anbausystems. Michael Straub ist zudem Buchhautor. Unter anderem hat er „Die magischen 11 der heilenden Pflanzen“, zusammen mit Frank Meyer, verfasst. In einem Interview erklärt er, welche Besonderheiten es beim Anbau von Arzneipflanzen gibt.

1. Welche Unterschiede gibt es im Anbau für Pflanzen, die für Lebensmittel verwendet werden und Pflanzen, die für Arzneimittel verwendet werden?

Michael Straub: Beim Anbau von Arzneipflanzen wird nicht auf Höchstertrag gedüngt, sondern eher verhalten, damit die Pflanze harmonisch – ihrem Wesen gemäß – wachsen kann und nicht durch zu viel an Stickstoff in ihrem Wachstum getrieben wird.  Dadurch werden auch mehr Wirkstoffe, wie beispielsweise sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, in der Pflanze gebildet, die auch für die Therapie wichtig sind.

2. Gibt es beim Arzneipflanzenanbau für homöopathische Arzneimittel Unterschiede zum  konventionellen Arzneipflanzenanbau?

Michael Straub: Generelle  Unterschiede zwischen dem normalen Arzneipflanzenanbau und dem Arzneipflanzenanbau für homöopathische Arzneimittel gibt es eigentlich nicht. Eine Ausnahme bilden Pflanzen, bei denen der Wirkstoff identifiziert ist (dies sind in der Regel pflanzliche Arzneimittel). Hier kann mithilfe von Pflegemaßnahmen wie Schnitt, Düngung, Lichtexposition, Bewässerung, etc. der Wirkstoffgehalt leicht angehoben werden.

3. Was ist die Besonderheit des sogenannten biologisch-dynamischen Pflanzenanbaus?

Michael Straub: Die Firma Weleda bewirtschaftet ihre Heilpflanzengärten gemäß den Prinzipien des biologisch-dynamischen Pflanzenanbaus. Der biologisch-dynamische Anbau unterscheidet sich vom „ökologischen Landbau“, denn die Anbaukriterien sind beim biologisch-dynamischen-System strenger. Beim biologisch-dynamischen Heilpflanzenanbau sind der Garten und seine Umgebung als eigener Organismus zu verstehen. Organismen haben die Fähigkeit der Selbstregulation. Fehlentwicklungen gleichen sich aus, vorausgesetzt, die einzelnen Organe arbeiten in einer gewissen Harmonie miteinander.

Die Natur bedient sich der verschiedenartigsten Mechanismen, um  Gleichgewichte zu halten. Zum Beispiel durch ein Räuber-Beute-Verhalten, wenn Marienkäfer Blattläuse fressen. In den Gewächshäusern werden deshalb auch gezielt gezüchtete Nützlinge eingesetzt. Der konsequente Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel ist dabei nur ein, wenn auch wichtiger, Teil dieser Arbeit.

4. Wo werden die Arzneipflanzen angebaut und welche Anbauarten werden genutzt?

Michael Straub: Wir bewirtschaften sowohl eigene Felder, unter anderem in Deutschland, Neuseeland, Argentinien, Brasilien, England, der Schweiz und Frankreich, beziehen aber auch von Anbauern aus dem In- und Ausland Pflanzen. Die Arzneipflanzen werden in Gärten, Gewächshäusern und auf dem Feld gezüchtet. Des Weiteren werden auch zertifizierte Wildsammlungen durchgeführt. Insgesamt bewirtschaftet die Firma Weleda in Deutschland Anbauflächen in einem Umfang von circa 20 Hektar.

5. Welche Qualitätsanforderungen müssen beim Anbau von Arzneipflanzen eingehalten werden? Wo sind diese beschrieben?

Michael Straub: Beim Arzneipflanzenanbau müssen vielfältige Anforderungen eingehalten werden. Hier gelten die „Good Agricultural And Collection Practice“ (GACP –Richtlinien zur Qualitätssicherung bei der Gewinnung von pflanzlichen Ausgangsstoffen), sowie weitere interne Qualitätsanforderungen. Zudem werden in den Arzneibüchern Qualitätsanforderungen für die verwendeten pflanzlichen Ausgangsstoffe festgehalten. Da wir einen biologisch-dynamischen Arzneipflanzenanbau betreiben, folgen wir zudem den DEMETER-Richtlinien.

6. Welche Pflanzenteile werden verwendet und wie werden die Pflanzen nach der Ernte weiterverarbeitet?

Michael Straub: Je nach Arzneipflanze können grundsätzlich alle Pflanzenteile verarbeitet werden, also zum Beispiel Wurzel (Radix), Blätter (Folium), Blüten (Flos), das blühende Kraut (Herba) oder auch die ganze Pflanze (Planta tota). Die Auswahl des Pflanzenteiles richtet sich zum Beispiel nach dem Wirkstoffgehalt oder, in der anthroposophischen Therapie, auch nach dem Bezug zwischen dem Pflanzenteil und einem spezifischen Organsystem beim Menschen, das therapiert werden soll.

Alle Pflanzen beziehungsweise Pflanzenteile werden zum Zeitpunkt des Wachstumsoptimums des entsprechenden Vegetationsstadiums geerntet. Unmittelbar nach der Ernte werden die Pflanzen frisch verarbeitet. Dazu werden sie wenn nötig gereinigt, zerkleinert und mit dem Extraktionsmedium (Ethanol in verschiedenen Konzentrationen oder verschiedene Pflanzenöle) versetzt. Nach Erwärmung oder Kaltextraktion über mehreren Wochen entsteht so ein konzentrierter Pflanzenextrakt. Dieser wird als wirksamer Bestandteil zum Beispiel zu Arzneimitteln, also Tropfen, Tabletten oder Ampullen, weiterverarbeitet.